Für die Weiterentwicklung des Kataloges für ambulantes Operieren, kurz AOP-Katalog, und der entsprechenden Vergütung kommt dem diesjährig veröffentlichten IGES-Gutachten große Aufmerksamkeit zu. Bislang sind rund 3.000 Operations- und Prozedurenschlüssel (OPS) in den AOP-Katalog aufgenommen worden. Zum AOP-Katalog zählen bislang rund 3.000 OPS. Das IGES-Gutachten sieht eine massive Ausweitung -nahezu Verdopplung -ambulanter Operationen bzw. Prozeduren von zusätzlich 2.476 Leistungen vor. Inwiefern das Gutachten vollständig realisiert wird, ist noch unklar, eine deutliche Ausweitung des AOP-Katalogs ist aber bereits so gut wie sicher. Krankenhäuser müssen demnach schon heute die kommende Ambulantisierung bisher stationär erbrachter Leistungen ins Auge fassen und die Chance ergreifen sich rechtzeitig zukunftsfähig aufzustellen. Dies gilt im Hinblick auf die Sicherstellung der medizinischen Versorgung der Patienten sowie aus Gründen der kaufmännischen Vorsicht, um den mitschwingenden finanziellen Risiken Sorge zu tragen.
Das Gutachten verfolgt einen potenzialorientierten Ansatz, nach dem das gesamte ambulante Potenzial zu 100 % identifiziert wird. So werden auch Leistungen mit geringen ambulant durchführbaren Anteilen berücksichtigt. Durch den Einbezug von fallindividuellen Kontextinformationen (z. B. Komplexität der Prozeduren oder erhöhtem Pflegeaufwand) wird eine generalisierte Einstufung als ambulant oder stationär vermieden. Fälle werden – und das macht diese Methodik so komplex – anhand der Kombination aus Diagnosen, Prozeduren- und Kontextinformation nach Schweregraden differenziert.
In dem Verfahren nach IGES findet eine Zuordnung potenziell ambulanter Fälle nach einem mehrstufigen System anhand bestimmter Ein- und Ausschlusskriterien statt und weist diese als „ambulante Fälle“, oder „ambulante Fälle mit erhöhtem Schweregrad“ aus (siehe Abbildung). Fälle, die beobachtet werden müssen (Monitoring), bleiben stationär. Patienten, die in die Kategorie „ambulante Fälle mit erhöhtem Schweregrad“ fallen, bedürfen einer Kontextprüfung. In Einzelfällen kann eine stationäre Behandlung begründet werden. Tendenziell wird es jedoch immer weniger Möglichkeiten geben, bei Fällen, die als „ambulant“ gelten, dies medizinisch zu rechtfertigen. Es gilt, nach jetzigem Kenntnisstand, als wahrscheinlich, dass mit einer schrittweisen Realisierung des IGES Gutachtens ca. 50% der „ambulanten Fälle mit erhöhtem Schweregrad“ zukünftig ambulant zu behandeln sind.
Abbildung 1: IGES-Kriterien zur Identfikation des ambulanten Potenzials
Welche Auswirkungen das oben beschriebene Verfahren des IGES-Gutachtens auf eine Innere Medizin und eine Allgemeinchirurgie haben könnte, zeigt die Auswertung der Beispielfachabteilungen. Auswertungsgrundlage sind die § 21 Daten KHEntgG.
Abbildung 2: Beispielklinik: Ambulantes Potenzial Innere Medizin und Allgemeinchirurgie
In der Beispielklinik fallen 647 Fälle (6%) der Inneren Medizin in die Kategorie ambulante Fälle und sind somit zwingend ambulant zu erbringen. 2.411 Fälle (23%) sind durch das IGES-Verfahren als ambulante Fälle mit erhöhtem Schweregrad identifiziert worden. Wird die Hälfte von diesen als ambulantes Potenzial realisiert, würde sich insgesamt die stationäre Fallzahl von 5.758, durch den Wegfall der zukünftig ambulant zu behandelnden Fällen, um 1.853 Fälle reduzieren. Allein der Anteil der ambulanten Patienten ohne erhöhten Schweregrad würde einen stationären Erlösverlust von ca. 825.000 € betragen. Eine entsprechende Erhöhung der ambulanten Vergütung ist im Zuge der Einführung von Hybrid-DRGs o.ä. zwar zu erwarten, wird aber den stationären Erlösausfall auch in Zukunft nur anteilig kompensieren können.
In der Beispielabteilung Allgemeinchirurgie fallen nach dem gleichen Verfahren 1.784 Fälle von insgesamt 5.758 weg, die zukünftig ambulant zu erbringen sind. Der stationäre Erlösverlust der allein 24 % ambulant zu erbringenden Fälle ohne erhöhten Schweregrad würde sich hier auf etwa 2.538.000 € belaufen.
Um den finanziellen Verlust zu begrenzen und den Patienten weiterhin eine adäquate medizinische Versorgung zu bieten, sollte das Ziel eines jeden Krankenhauses sein, die zukünftig ambulanten Patienten in entsprechend ökonomisch organisierten ambulanten Strukturen z. B. AOP-Zentrum im Haus und/oder mithilfe eines Medizinisches Versorgungszentrums (MVZ) zu behandeln. Da für die Etablierung der benötigten Strukturen eine gute Organisation und Planung unabdingbar ist, sollte frühzeitig gehandelt werden.
Deutschland weist im internationalen Vergleich eine hohe Hospitalisierungsrate auf. In einigen Ländern, zum Beispiel in Dänemark, ist der Ambulantisierungstrend schon deutlich weiter fortgeschritten. Der Gesetzgeber wird in den kommenden Jahren die Ambulantisierung stationärer Leistungen weiterhin in den Fokus nehmen und die Reformierung des Systems der sektoralen Trennung fortsetzen. Darin muss auch eine Weiter- entwicklung der Vergütungen der ambulanten Leistungen zu Gunsten der Leistungserbringer enthalten sein, wenn diese entsprechende Strukturen schaffen und vorhalten. Folglich sollte die Reduktion stationärer Behandlungsfälle nicht primär als Verlust, sondern auch als Anreiz zur Weiterentwicklung gesehen werden.
Wir, die ENDERA-Gruppe, bieten Ihnen Expertise sowohl für den stationären Bereich als auch für die ambulanten Versorgungssektor und unterstützen Sie gerne dabei, diese beiden Bereiche in Einklang zu bringen